"Dem Geist ist es zuträglicher, vogelfrei zu sein als pensionsberechtigt". Weblog über die österreichische Schriftstellerin Jeannie Ebner als Begleitung zur (mittlerweile abgebrochenen) Diplomarbeit "Frauenfiguren und Frauenrolle(n) bei Jeannie Ebner" an der Universität Wien
Dienstag, Februar 27, 2007
"ein Bursch direkt"
In einem Brief an Mechthild Curtius vom 9. September 1974 schildert Jeannie Ebner eine Begebenheit aus ihrer Zeit als Mitarbeiterin einer Autowerkstatt - ich nehme an, als Jugendliche bzw. junge Frau. Ihre fünf Kollegen seien immer sehr zuvorkommend ihr gegenüber gewesen. "Eines Tages kam einer, der Franzi, in der Mittagspause zu mir, als ich eben ein Gedicht in der Schreibmaschine hatte. Er war entsetzt und sagte wörtlich: 'Aber du warst doch immer ein anständiger Kerl, ein Bursch direkt, und jetzt machst Gedichte?! Schämst dich net?'" Sie habe sich noch lange "mißbilligende oder spöttische Äußerungen" anhören müssen.
Montag, Februar 26, 2007
DiplomandInnenseminar
Soeben habe ich mich erfolgreich zum "Kolloquium für DiplomandInnen und DissertantInnen" angemeldet - am 6. März von 18.15 bis 19.45 Uhr findet das Seminar (bei Wendelin Schmidt-Dengler) zum ersten Mal statt. Aus der Ankündigung: "Referate über neuere Fachliteratur. Referate aus dem Bereich der Diplomarbeiten und Dissertationen. Gemütliches Beisammensein". Bin schon gespannt, mit welchen Themen sich die anderen StudentInnen beschäftigen...
Donnerstag, Februar 22, 2007
"Major figure"
Ich habe einmal unsere Datenbanken durchforstet und dabei noch für mich neue Primärliteratur, Übersetzungen und Sekundärliteratur gefunden:James N. Hardin / Donald G. Daviau: Austrian fiction writers after 1914. Detroit: Gale Research 1989 (= Dictionary of literary biography 85) A. Obermayer: "Jeannie Ebner". In: Donald G. Daviau (Hrsg.): Major figures of contemporary Austrian literature. New York: Peter Lang 1987 Adolf Opel: Jeannie Ebner: Augenblick, der nicht wiederkommt. Wien: Televisfilm 1990 (= Lebendes Wort - Bleibendes Werk 002) - den Film sollte ich mir anschauen, er ist auf der ONB verfügbar. Wieso habe ich den vorher noch nicht entdeckt? (AV, Signatur 13-VK.2) Ján Loydl: Das neue Gedicht aus Österreich. Innsbruck: [Ungarisch-Österr. Kultur und Schulverein?] 1961 Jeannie Ebner / Lowell A. Bangerter [Übers.]: The Bengal tiger. Riverside: Ariadne Press 1992 (= Studies in Austrian literature, culture, and thought ; Translation series) Jeannie Ebner / Marijan Kramberger [Red.]: Nova avstrijska Lirika.
Maribor: Zalozba Obzorja 1972 Jeannie Ebner: Figure v crnem in belem. Murska Sobota: Pomurska Zalozba 1981 Jeannie Ebner: Das Bild der beiden Schwestern.
Leipzig: St.-Benno-Verlag 1984 ("Ausgabe für die DDR und die sozialistischen Länder")
Außerdem habe ich festgestellt, dass Jeannie Ebner auch Miss Read übersetzt hat.
"Reichs Ranitzky"
In zwei Briefen, die ich gestern gelesen habe, kritisiert Jeannie Ebner heftig die Art von Marcel Reich-Ranicki (sie nennt ihn übrigens mehrmals "Reichs Ranitzky"). Als illustrierendes Beispiel führt sie an, dass Reich-Ranicki beim Bachmann-Preis einen Text mit der Bemerkung, es käme ihm zu oft das Wort "Seele" vor, abgekanzelt hätte. Nur sei das Wort überhaupt nicht vorgekommen, auch nicht als "Psyche" oder Abwandlungen davon, und kein anderes Mitglied der Jury habe irgendeine Form des Einspruchs erhoben. Er wolle entweder nicht zuhören oder er könne es gar nicht, weil das Geräusch in seinem eigenem Kopf so laut sei. Aus diesem Grund lehnte sie auch ab, in Düsseldorf an einer Diskussion über das Selbstverständnis von Schriftstellerinnen teilzunehmen, die von Reich-Ranicki geleitet werden sollte.
Dienstag, Februar 20, 2007
IZA-Ebner-Dossier eingetroffen
Heute ist das Dossier über Jeannie Ebner vom Innsbrucker Zeitungsarchiv (IZA) eingetroffen, das ich letzten Donnerstag bestellt habe. Es umfasst Rezensionen, Berichte über Ehrungen, Würdigungen ihrer redaktionellen Arbeit - insgesamt 69 Artikel von der AZ bis zur FAZ.
Montag, Februar 19, 2007
Tagebuch, 17. Oktober 1972
"Bei Tagungen haben die Männer, die sich gerne reden hören, die größten Chancen, ausgiebig zu Wort zu kommen".
Aus: Der Genauigkeit zuliebe. Tagebücher 1942 - 1980. Graz: Styria 1993, S. 251
Sonntag, Februar 18, 2007
Erklärung österreichischer Schriftsteller
In Heft 28 der Zeitschrift "Literatur und Kritik" vom September 1968 findet sich eine "Erklärung österreichischer Schriftsteller", die auch Jeannie Ebner unterzeichnete. Darin heißt es: "Die unterzeichneten österreichischen Schriftsteller erklären sich mit ihren tschechischen und slowakischen Kollegen solidarisch in der Ablehnung aller Gewaltmaßnahmen und der Unterdrückung der Meinungsfreiheit in der ČSSR. Sie appellieren nachdrücklich an die Ausübenden der Macht, die Verhafteten ehestens wieder in Freiheit zu setzen und ihre ungehinderte Berufsausübung zu garantieren".
Donnerstag, Februar 15, 2007
Ebner in Pürgg
Jeannie Ebner nahm anscheinend an den von der steirischen Landesregierung veranstalteten Dichterwochen in Pürgg teil, zu denen auch diverse Nazischriftsteller geladen waren - keineswegs ungewöhnlich im Nachkriegs-Österreich. Siehe dazu folgende Literatur:"Literatur in der Steiermark von 1945 bis heute" von Paul Pechmann: "Zu den Gästen der von der Landesregierung veranstalteten Dichterwochen in Pürgg (1953-1955) zählten – neben jüngeren Autoren wie etwa Jeannie Ebner, Hans Weigel - die Genannten ebenso wie auch weitere exponierte ehemalige NS-Dichter". TeilnehmerInnenliste der Dichterwochen Diplomarbeit von Verena Zankl: "Die 'Pürgger Dichterwochen' 1953 bis 1955. Dokumentation und Analyse", Innsbruck 2003 (noch nicht von mir eingesehen) "Ennstal - eine Annäherung" und "Die Pürggschrift" von Franz Krahberger
Ebner-Dossier im IZA
Im Innsbrucker Zeitungsarchiv (IZA) gibt es ein Dossier mit 69 Zeitungsartikeln über Jeannie Ebner, von Portraits über Rezensionen ihrer Werke bis zu Würdigungen anlässlich runder Geburtstage. Das hab ich mir nun bestellt - 41,50 € ist das auf alle Fälle wert, vor allem weil es mir viel Recherchearbeit erspart.
Weibliches Schreiben
Gestern war es soweit: meine erste Begegnung mit dem Nachlass Jeannie Ebners in real life - ich habe mir ja die Archivbox 1 ausheben lassen. Ich habe einfach zu lesen begonnen und die Korrespondenz von Jeannie Ebner an die Personen A - Cz geschafft. Nur ein kleiner Teil, aber dabei haben sich einerseits zwei Themen für mich herauskristallisiert, andererseits auch bestimmte BriefpartnerInnen als interessant und bearbeitenswert herausgestellt.Ein wesentlicher Punkt ist das "weibliche Schreiben" bzw. Arbeiten und seine Rezeption durch die Männerwelt ("Wenn's Dir Spaß macht, Kinderl - meinetwegen!", Brief an Friedbert Aspetsberger). Hierzu gibt es Tagebucheinträge, Korrespondenzen und den Vortrag "Literatur weiblicher Autoren - ja! Aber wieso Frauenliteratur?", den Jeannie Ebner 1985 beim internationalen Kolloquium "Frauenliteratur in Österreich von 1945 bis heute" in Mulhouse gehalten hat und der im gleichnamigen Tagungsband erschienen ist. Als Sekundärliteratur unter anderem den Text "Jeannie Ebners emanzipatorische Bestrebungen" von Carine Kleiber im selben Tagungsband. Der zweite Punkt hängt mit dem ersten durchaus zusammen: die Vereinbarkeit von Brotberuf und Berufung. Ebner leitete ja nach dem Tod Gerhard Fritschs die Redaktion der Zeitschrift "Literatur & Kritik" alleine, stellte ihr eigenes Schreiben immer wieder zugunsten anderer, zugunsten von Krankenpflege und Hausarbeit zurück. Auch hierzu gibt es eine Fülle an Material in Korrespondenzen und im Tagebuch. Teilweise klingt in den Briefen Resignation und Verzweiflung durch, Ebner schreibt sogar, sie denke an Selbstmord, um endlich Ruhe zu haben. Der Briefwechsel mit Thomas Bernhard und überhaupt das Verhältnis zu ihm wären auch behandelnswert. Bernhard formte ja eine Figur in "Holzfällen" wenig verschleiert nach Ebner, und laut den wenigen Briefen, die ich gestern gelesen habe, haben sie sich mindestens zweimal heftig zerstritten, unter anderem wegen eines geplatzten Filmprojektes. Mich interessiert auch der Briefwechsel mit Irmgard Beidl (später Perfahl), Schriftstellerin, Bibliothekarin, Mitglied der Künstlervereinigung März und der Grazer Autorenversammlung. Auch die Beziehung zu Christine Lavant, Marlen Haushofer und Christine Busta würde mich als Schwerpunkt meiner Diplomarbeit interessieren. Hier habe ich aber die Korrespondenz noch nicht eingesehen - das geht sich hoffentlich nächste Woche aus.
Montag, Februar 12, 2007
Tagebuch, 12. Februar 1968
"Unruhe, Hast, Hetzjagd. Keine Minute des Tages ohne Beschäftigung. Der Lavant-Film. Die Redaktion. Suchys Dokumentation. Die Freunde. Hausarbeit. Lesen. Literarische Veranstaltungen. Jeden Samstag und jeden Sonntag bis fünf Uhr nachmittags an der Schreibmaschine. Und immer noch fragen mich alle möglichen Leute vorwurfsvoll: Warum schreibst Du nichts mehr?"
Aus: Der Genauigkeit zuliebe. Tagebücher 1942 - 1980. Graz: Styria 1993, S. 174
Aus: Der Genauigkeit zuliebe. Tagebücher 1942 - 1980. Graz: Styria 1993, S. 174
Freitag, Februar 09, 2007
Tagebuch, 1. September 1958
"Dichter oder Schriftsteller, das ist keine Bewertung, sondern nur eine Aussage über die Arbeitsmethode". - Interessanter Aspekt - in der Wikipedia wird Schriftsteller so beschrieben: "Verfasser von Literatur im engeren Sinne, der seine Hauptbetätigung im Schreiben findet", und Dichter so: "eine spezifisch deutsche Wortbildung für den Verfasser von Dichtung, sprachlicher Kunst". Außerdem werden noch der Autor, der Bühnenautor, der Sachbuchautor angefürt. Die Eindeutschung "Verfasser" stammt übrigens angeblich von Philipp von Zesen.
Zitat aus: Der Genauigkeit zuliebe. Tagebücher 1942 - 1980. Graz: Styria 1993, S. 51
Zitat aus: Der Genauigkeit zuliebe. Tagebücher 1942 - 1980. Graz: Styria 1993, S. 51
Vogelfreier Geist
Der Satz "Dem Geist ist es zuträglicher, vogelfrei zu sein als pensionsberechtigt" stammt aus der Erzählung "Die neue Penelope", erschienen 1975 im Band "Protokoll aus einem Zwischenreich" bei Styria. Ich habe ihn als Motto für dieses Weblog gewählt. Er scheint mir für das Leben von Jeannie Ebner passend.
Donnerstag, Februar 08, 2007
Tagebuch, 1. Februar 1969
"Ich bin eine Dichterin, die nicht dichten darf. Man hat mir meine Rolle genommen. Warum muß ich noch, stumm wie ein Baum, auf einer Bühne, herumstehen? Warum darf ich nicht abtreten?
Was wird hier überhaupt gespielt? Gibt es einen Text? Wer ist der Autor? Wo sind die großen Regisseure versteckt?"
Aus: Der Genauigkeit zuliebe. Tagebücher 1942 - 1980. Graz: Styria 1993, S. 215
Was wird hier überhaupt gespielt? Gibt es einen Text? Wer ist der Autor? Wo sind die großen Regisseure versteckt?"
Aus: Der Genauigkeit zuliebe. Tagebücher 1942 - 1980. Graz: Styria 1993, S. 215
Jeannie Ebner-Nachlass
Der Nachlass von Jeannie Ebner befindet sich in der Wienbibliothek im Rathaus und umfasst - neben ihrer Bibliothek, die in der Druckschriftensammlung aufbewahrt wird - fünf Archivboxen.
Archivbox 1: Werke, Korrespondenzen von Jeannie Ebner A bis Z, Korrespondenzen an Buchhandlungen und Bibliotheken, Korrespondenzen an Jeannie Ebner von A bis Bachem. Archivbox 2: Korrespondenzen an Jeannie Ebner von Bäck bis Frankenstein. Archivbox 3: Korrespondenzen an Jeannie Ebner von Freemann bis Zweig, Korrespondenzen von Buchhandlungen und Bibliotheken, Korrespondenzen PEN-Club, Korrespondenzen Dritte an Dritte von Artmann bis Wessely. Archivbox 4: Lebensdokumente (Tagebücher, Erinnerungen), Sammlungen (Werke anderer Autorinnen und Autoren). Archivbox 5: Rezensionen und Artikel zu Jeannie Ebners Werk, zur Zeitschrift "Literatur und Kritik", zu anderen Autorinnen und Autoren, zum Bachmann-Preis und generell zum literarischen und künstlerischen Geschehen, Interviews und Gespräche, Zeitschriften, Portraits.
Eine genauere Liste gibt es im pdf-Format auch online, der Bestand ist aber anscheinend noch nicht im Detail katalogisiert.
Eine genauere Liste gibt es im pdf-Format auch online, der Bestand ist aber anscheinend noch nicht im Detail katalogisiert.
Diplomarbeits-Sorgen
Gestern wollte ich mir nochmal die bereits kurz durchgesehenen Bücher bzw. die Diplomarbeit über Jeannie Ebner ausleihen, um mir die Literaturangaben zu kopieren und mir endlich die Sekundärliteratur zu beschaffen. Dann habe ich festgestellt, dass das Buch "Jeannie Ebner. Eine Einführung" von Carine Kleiber, erschienen 1985 bei Peter Lang, ausgeliehen ist. Mich hat gleich die Panik ergriffen - schreibt da doch schon jemand anderer darüber, wurde mein Thema schon weitergegeben, hat mein Diplomarbeitsbetreuer mein eMail nicht bekommen? Na gut, das werde ich ja spätestens dann merken, wenn ich im März zum DiplomandInnenseminar gehe und dort jemand beim Namen Jeannie Ebner "hier" schreit...
Derzeit lieferbar
Derzeit sind laut Verzeichnis lieferbarer Bücher vier Werke von Jeannie Ebner lieferbar:Flucht- und Wanderwege. Prosa. Literaturedition Niederösterreich 1998, ISBN 978-3-901117-34-3 Gedichte und Meditationen II. Gedichte. Grasl 1987, ISBN 978-3-85098-174-3 (= Lyrik aus Österreich) Hannes Vyoral (Hrsg.): Jeannie Ebner. Ausgewählte Gedichte. Podium 2005, ISBN 978-3-902054-36-4 (= Podium-Porträt 21) Lotte Ingrisch, Jeannie Ebner, Gustav Ernst: Symphonie Erotique. Liebesgeschichten zeitgenössischer Autoren. Edition Va Bene 1995, ISBN 978-3-85167-030-1 (laut Verlag nicht lieferbar!)
Das Jeannie Ebner-Weblog
Ich habe soeben die Arbeit an meiner Diplomarbeit über die "Mutter der österreichischen Literatur", die Schriftstellerin und Redakteurin Jeannie Ebner, aufgenommen. Dieses Weblog soll die Arbeit begleiten und Informationen über Jeannie Ebner zusammenführen. Über Anregungen, Kommentare und Ergänzungen freue ich mich.
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